Kundgebung am 12.11.20 um 17.15 in Bleiwäsche vor der Schützenhalle
In einem Stadtteil von Bad Wünnenberg, der bisher nicht öffentlich gemacht wird, ist der Bau einer Hähnchenmastanlage für 29500 Tiere geplant. Dies wird von der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen aus folgenden Gründen abgelehnt:
1. Tierschutz
Die drangvolle Enge führt zu Dauerstress (ein konventionell gehaltenes Masthuhn lebt meist zwischen 28 und 42 Tage zusammen mit bis zu 23 Artgenossen auf einem Quadratmeter Stallfläche). Ein artgerechtes Verhalten ist unter diesen Umständen nicht möglich.
Hochleistungsmastrassen sind auf eine überproportionale Brustzunahme gezüchtet und wachsen schneller als ihr Knochengerüst bewältigen kann. Am Ende der Mastperiode können sie kaum noch stehen.
Da nur bei Aufstallung eingestreut wird, sitzen die Tiere am Ende der Mastperiode in ihren eigenen Exkrementen. Die dadurch hohe Ammoniakbelastung reizt Augen und Atemwege. Die Tiere werden krankheitsanfällig und überleben nur mit Antibiotikaeinsatz.
Fast alle Tiere zeigen in Folge dieser Haltung schmerzhafte Druckgeschwüre an Ballen und Brust.
2. Resistenzbildung durch ständig erforderlichen Antibiotikaeinsatz als Risiko für den Menschen
Durchschnittlich wird ein Masthähnchen an zehn seiner im Schnitt 39 Lebenstage mit bis zu acht verschiedenen Wirkstoffen behandelt. Diese Routine beim Antibiotikaeinsatz im Hühnerstall begünstigt Keime, die resistent gegen Antibiotika sind. Mit dem Fleisch, der Abluft aus Ställen und den Beschäftigten in der Geflügelwirtschaft gelangen die resistenten Keime in die Umwelt und zur Bevölkerung. Antibiotika werden nicht nur zur Bekämpfung akuter Erkrankungen oder deren Vorbeugung, sondern auch gezielt in geringer Dosierung als Masthilfsmittel eingesetzt. In dieser Dosierung werden die Keime in der Regel nicht abgetötet, sondern es kommt zu einer für den Menschen gefährlichen Resistenzbildung. Weitere Informationen unter: https://www.bmbf.de/de/im-stall-und-auf-dem-feld-multiresistente-keime-sind-weit-verbreitet-1322.html
3. Emissionen
Es ist von einer nicht unerheblichen Geruchsbelästigung auszugehen. Es könnte eine Gefahr durch möglicherweise in die Luft austretende Antibiotika-resistente Keime für die Bevölkerung bestehen.
Der Mist ist antibiotikabelastet und enthält u.U. multiresistente Keime. Antibiotika schädigen das Mikrobiom im Ackerboden, was Folgen für die Bodenfruchtbarkeit haben kann. Außerdem könnten Antibiotika über das Grundwasser in das Trinkwasser gelangen. Multiresistente Keime stellen ein hohes potenzielles Gesundheitsrisiko für den Menschen dar.
Der Mist der geplanten Mastanlage bedeutet bei ortsnaher Ausbringung einen zusätzlichen Nitrateintrag in die Böden Bad Wünnenbergs und könnte das Grundwasser belasten. Kosten für eventuell erforderliche zusätzliche Maßnahmen zur Entfernung des Nitrats aus dem Trinkwasser wären von der Allgemeinheit zu tragen.
Wenn der Mist außerhalb des Stadtgebietes entsorgt werden soll, exportieren wir nur das Problem.
Wir sagen Nein!
Nein zu industrieller Tierquälerei!
Nein zu einer Gefährdung unserer Gesundheit durch multiresistente Keime!
Nein zu einer Mehrbelastung von Wasser und Boden durch industriell betriebene Landwirtschaft!
Bitte unterstützt unsere Forderung und kommt zur Demonstration um 17.15 Uhr am 12.11.20 vor der Schützenhalle in Bleiwäsche!
Hallo zusammen,
ich kenne nicht den Landwirt, der den Stall plant, aber meint ihr nicht, daß es Sinn macht sich erstmal zu informieren? Vielleicht plant der ja den Stall mit KIKOK Hähnchen zu betreiben, dort wird zum Beispiel gar kein Antibiotika eingesetzt. Auch in der konventionellen Aufzucht werden durch die hohen Standards in einem neuen Stall nur noch selten Antibiotika eingesetzt. Ich finde eure Aussagen sehr pauschal und damit auch unfair.
Bitte erst schlau machen und dann urteilen. Wenn ihr Infos braucht könnt ihr euch gerne melden.
Mit freundlichen Grüßen und bleibt gesund
Hubertus Hüllmann
Landwirt aus Delbrück
P.S.: Ihr wisst schon, wo das Hähnchenfleisch her kommt, welches wir hier in D nicht selbst produzieren?
Sehr geehrter Herr Hubertus Hüllmann!
Vielen Dank für Ihren Einwand und ihr Interesse an dem Thema! Wir möchten dazu wie folgt Stellung nehmen:
Leider wurde über den Antrag im nichtöffentlichen Teil der Ratssitzung beraten, so dass wir nicht öffentlich machen dürfen, ob eine konventionelle Mast beabsichtigt ist oder nicht. Natürlich gibt es verschiedene kommerzielle Haltungsformen, die ohne oder mit geringem Antibiotikaeinsatz auskommen. Die Größenordnung, in der die Hähnchenhaltung beantragt ist, lässt jedoch auch ohne Kenntnis der genauen Sachlage mit hoher Wahrscheinlichkeit vermuten, dass es sich um einen konventionellen Maststall handeln wird.
Leider werden unseren Informationen nach bei der konventionellen Hähnchenmast immer noch in großem Ausmaß Antibiotikum und auch Reserveantibiotika eingesetzt, also Antibiotika, die man besser nur in der Humanmedizin verwenden sollte, wenn es die Therapie gegen multiresistente Keime beim Menschen erforderlich macht.
Aus unserer Sicht ist der Einsatz von Antibiotika unter den Haltungsbedingungen einer konventionellen Hähnchenmast allein schon durch die Besatzdichte auch nahezu unvermeidlich, da die Tiere in der Endmast räumlich sehr eingeengt sind, was Stress verursacht und die Tiere krankheitsanfälliger macht. Dass der Einsatz von Antibiotika und Reserveantibiotika entgegen ihrer Aussage, anders als z.B. in der Schweinemast, in der Hähnchenmast nicht zurückgegangen ist, können Sie u.a. dieser Quelle entnehmen:
Pressemitteilung des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 01. Jul 2020 Nr. 114/2020: Antibiotika in der Tiermast: Kabinett beschließt Änderung des Arzneimittelgesetzes (AMG) (https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/114-arzneimittelgesetz.html;jsessionid=371A6B5C8EA755B68420D5D66DDBBA21.intranet921)
Untersucht wurde die Entwicklung der Antibiotikaanwendung bei sechs Nutztierarten über den Zeitraum zweites Halbjahr 2014 bis einschließlich 2017. Wörtlich heißt es in dieser Pressemitteilung:
„Bei Masthühnern und Mastputen lag der Anteil an Reserveantibiotika bei rund 40 Prozent der jeweiligen Verbrauchsmenge. Der Einsatz von Antibiotika und Reserveantibiotika bei Mastgeflügel ist im untersuchten Zeitraum kaum zurückgegangen. Klar ist: Der hohe Anteil insbesondere von Reserveantibiotika an den Verbrauchsmengen ist nicht akzeptabel.“
Zur Gefährlichkeit multiresistenter Keime und ihrer Herkunft aus der Hähnchenmast:
Alois Berger, Deutschlandfunk: Multiresistente Keime in der Landwirtschaft die nächste Pandemie könnte aus dem Hühnerstall kommen (https://www.deutschlandfunkkultur.de/multiresistente-keime-in-der-landwirtschaft-die-naechste.976.de.html?dram:article_id=487266)
Bundesministerium für Bildung und Forschung: Im Stall und auf dem Feld: Multiresistente Keime sind weit verbreitet (https://www.bmbf.de/de/im-stall-und-auf-dem-feld-multiresistente-keime-sind-weit-verbreitet-1322.html)
Anika Friese, Henriette Laube, Christina von Salviati, Uwe Rösler, Institut für Tier- und Umwelthygiene der freien Universität Berlin: Emissionen von ESBL/AmpC – bildenden Enterobakterien in das Umfeld von Tierhaltungen (https://www.bfr.bund.de/cm/343/emissionen-von-esbl-ampc-bildenden-enterobakterien-in-das-umfeld-von-tierhaltungen.pdf)
Zum Vorhandensein multiresistenter Keime im Hähnchenfleisch:
Germanwatch 10/2020: Hähnchenfleisch im Test auf Resistenzen gegen Reserveantibiotika (https://www.germanwatch.org/de/19459)
Danach sind Hähnchenfleischproben der PHW-Gruppe, Deutschlands größtem Geflügelkonzern, bekanntester Vertreter ist Wiesenhof, zu knapp 60 % mit antibiotikaresistenten Keimen belastet. Jede 3. Probe wies sogar Resistenzen gegen Reserveantibiotika auf. Gekauft wurde das Fleisch bei Lidl, Netto, Real, Aldi (Nord und Süd) sowie Penny. 51 Prozent der untersuchten Fleischproben wiesen Resistenzen sogar gegen mehrere Antibiotika gleichzeitig auf.
Ein Problem, das sich auch gestern wieder bei den Gesprächen mit den lokalen Landwirt*innen gezeigt hat, ist, dass wir uns bei unseren kontroversen Diskussionen auf verschiedene Quellen beziehen. Es erscheint uns dabei wenig hilfreich, die Quellen der anderen Seite von vornherein als falsch zu bezeichnen. Wir wünschen uns einen intensiven Austausch von Argumenten, um voneinander zu lernen. Zur Vorbereitung wäre es schön, wenn wir zunächst die Quellen nennen, auf die wir uns in der Diskussion beziehen wollen, so dass jeder diese im Vorfeld prüfen kann.
Wir hoffen, dass ein solches Vorgehen ihre Zustimmung findet und würden uns sehr freuen, wenn Sie weiterhin mit uns in der Diskussion bleiben!
Mit freundlichen Grüßen
Die Bündnis 90 / Die Grünen Bad Wünnenberg